Ein Medienlabor der Superlative
25.07.2012Ein Flur voller Labore entsteht momentan im Zentrum für Mediendidaktik der Universität Würzburg. Ausgestattet mit modernster Technik bieten die Räume den Wissenschaftlern vom Institut für Mensch-Computer-Medien beste Arbeitsbedingungen. Kino-Fans werden dort vor Neid erblassen.
Besser ist privates Kino derzeit wohl kaum zu kriegen: Ein Beamer mit vierfacher HD-Qualität (und zum Preis eines Mittelklassewagens), selbstverständlich 3D-fähig, eine Dolby-7.1-Surround-Anlage mit ordentlich Kraft dahinter und eine etwa drei Meter breite Leinwand.
Nein: Die CineBox im Zentrum für Mediendidaktik der Universität Würzburg ist nicht dafür gedacht, dass hier Studierende und Dozenten die neuesten Hollywood-Blockbuster im privaten Rahmen genießen – auch wenn sie dafür hervorragend geeignet ist. Hier gilt’s der Wissenschaft. „Wir können hier Forschung auf einem technischen Niveau betreiben, das in Deutschland an vermutlich keiner anderen Universität zu finden ist“, sagt Professor Frank Schwab, Inhaber des Lehrstuhls für Medienpsychologie an der Uni Würzburg.
Forschung im Kinosaal – worum geht es denn dabei? „Wir wollen in unserem aktuellen Projekt die Wirkung klassischer zweidimensionaler Filme mit der von 3D-Filmen vergleichen“, sagt Schwab. Allerdings untersuchen die Wissenschaftler in diesem Fall nicht, ob Avatar-2D mehr zu Herzen geht als die dreidimensionale Variante. Sie interessiert, ob beispielsweise ein Spendenaufruf zur Rettung einer bedrohten Tierart die Spendenbereitschaft der Betrachter steigert, wenn sie das Schicksal dieser Tiere plastisch und greifbar nah vor Augen geführt bekommen.
Die Wirkung von Computerspielen erforschen
Die CineBox ist übrigens nur eines von mehreren Laboren, die Frank Schwab und sein Kollege vom Institut für Mensch-Computer-Medien, der Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation Holger Schramm, zur Zeit in den Räumen des Zentrums für Mediendidaktik einrichten lassen. Die GameBox ist ein weiteres. Das Labor sieht ein wenig so aus, als habe man eine Gartenlaube in einem Büro aufgebaut. Tatsächlich verbirgt sich hinter den Holzwänden ein schalldichter Raum, ausgestattet mit jeder Menge Technik: Computer samt großem Bildschirm und ebenfalls Surround-Sound, eine Kamera, die den Mensch vor dem Bildschirm beobachtet und diverse andere Geräte. Außerhalb der Box befindet sich ein Schreibtisch, auf dem sich vier große Monitore stapeln. Von dort aus steuern und überwachen die Wissenschaftler das Geschehen im Labor.
„In der GameBox können wir beispielsweise erforschen, wie stark Computerspiele die Spieler in Bann ziehen“, sagt Frank Schwab. Ein Maß dafür ist die Frequenz, mit der die Versuchsteilnehmer blinzeln. „Es gibt die Theorie, dass Menschen dann seltener blinzeln, wenn sie gerade viele Informationen verarbeiten müssen“, erklärt der Psychologe. Auf ein Autorennspiel à la Need for Speed bezogen würde das bedeuten: Geht es gerade durch eine kurvige Passage, blinzeln die Spieler selten. Auf der Geraden zucken ihre Lider dafür umso häufiger. Blinzeln, Mimik, die Körperbewegung, Schwitzen: Solche Parameter ziehen die Wissenschaftler heran, wenn sie wissen wollen, wie sehr bestimmte Situationen die Versuchspersonen gefangen nehmen. Einfach fragen geht ja nicht: „Dann sind die Leute aus der Situation draußen.“
Was Männer und Frauen attraktiv macht
Finden Menschen das andere Geschlecht attraktiver, wenn es ein geschlechtstypisches Verhalten an den Tag legt? Oder darf Mann beziehungsweise Frau sich auch untypisch verhalten, ohne an Attraktivität zu verlieren? Diese Frage haben Schwab und seine Mitarbeiter ebenfalls in der Gamebox untersucht. Sie haben dafür Pärchen, die sich zuvor nicht kannten, gebeten, sich gemeinsam einen Horrorfilm anzusehen. Was die eine Hälfte des Duos nicht wusste: Sein jeweiliger Partner war vorab instruiert worden, sich entweder rollenkonform zu verhalten oder davon abweichend. Mal musste er oder sie selbst beim größten Gemetzel auf dem Bildschirm ganz cool bleiben, ein andermal hingegen deutlich Angst zeigen. Anschließend sollten die ahnungslosen Partner die Attraktivität ihrer Begleiter bewerten. Das Ergebnis: Frauen geben den „coolen Typen“ bessere Noten; Männer finden ängstliche Frauen anziehender. „Es hat sich ganz deutlich gezeigt, dass geschlechtstypisches Verhalten beim Gegenüber besser ankommt“, sagt Schwab.
Weitere „Boxen“ bieten den Wissenschaftlern vom Institut für Mensch-Computer-Medien die Möglichkeit, andere Situationen zu erforschen. In der BlackBox sieht es aus wie in einem Call Center: viele Arbeitsplätze auf engstem Raum, nur durch dünne Trennwände voneinander abgegrenzt. Die OfficeBox besitzt einen einzigen Arbeitsplatz. Die LoungeBox steht für Experimente aller Art offen. Die ToolBox ist der Ort, an dem Studierende und Mitarbeiter ihr Material erstellen und ihre Untersuchungen auswerten.
Akustische Probleme im Seminarraum
Und damit die Studierenden an den Forschungsergebnissen teilhaben und davon profitieren können, gibt es in dem Gebäude selbstverständlich auch einen Seminarraum. Natürlich keinen gewöhnlichen mit Tischen, Stühlen und einer Tafel. Nein, auch hier kommt modernste Technik zum Einsatz. Medienkommunikation ohne Beamer, Whiteboard und Surround-Sound? Das wäre vermutlich so, wie Physik ohne Strom oder Biologie ohne Mikroskop.
Das größte Problem beim Einrichten des Seminarraums war allerdings erstaunlich „analog“: die Akustik. In dem glatten, harten Zimmer hatte selbst ein harmloses Klatschen einen sekundenlangen Hall. Und wenn am Ende einer Vorlesung 60 Studierende ihre Taschen packten, Stühle rückten und Smartphones checkten, standen alle Anwesenden „kurz vor einem Hörsturz“ – so Frank Schwab. Unter solchen Bedingungen Surround-Effekte wahrzunehmen, war schier unmöglich.
Doch mit Hilfe der geballten Expertise der Mitarbeiter des Zentrums für Mediendidaktik (die unter anderem ein professionelles Tonstudio betreiben) gelang es, auch dieses Problem zu lösen. Jetzt stehen etwa einen Meter hohe und 40 Zentimeter breite Röhren in zwei Zimmerecken und „verschlucken“ dröhnende Bässe. Bodenfliesengroße Paneele aus Schaumstoff und Filz hängen an ausgewählten Stellen an den Wänden und absorbieren mittlere und hohe Töne. Dank ihrer Oberflächenstruktur, die zerknittertem Papier gleicht, wirken sie wie Kunstwerke, die den Raum verschönern, nicht seine Akustik verbessern sollen. Der Effekt? Frank Schwab klatscht in die Hände. Ein kurzer, trockener Schlag. Keine Spitzen, kein Nachhall. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Kontakt
Prof. Dr. Frank Schwab, T: (0931) 31-82395, E-Mail: frank.schwab(a)uni-wuerzburg.de